Don’t think twice, it’s all right – A fairly friendly Reading

„Wir waren Freunde und sind uns fremd geworden.“

Bob Dylan, der 2008 den Pulitzer Prize und 2016 den Literatur-Nobelpreis für für sein texterisches Werk erhielt, erweist sich in diesem 1963 veröffentlichten Song als großer Poet, wenn dies einer ist, an dessen Texte man eigene Erfahrungen knüpfen kann und die Aspekte unseres Daseins beleuchten und somit zu Bewusstsein führen.

Der Titel für sich weist bereits auf den semantischen Gehalt des Liedtextes hin. Das Komma deutet auf eine Trennung hin. Die identische Anzahl der Silben sowie die Verwendung eines Apostrophs auf beiden Seiten des Kommas erzeugen zwar eine Parallelität, aber eben eine solche, die eine Gegenseitigkeit bereits ersetzt hat und auf das Fehlen zukünftiger Schnittpunkte in Form von gegenseitigem Verständnis hinweist.

So haben wir es im Teil vor dem Komma mit einer Negation zu tun, im Teil darauf mit einer Affirmation. Nun könnte man dieses Konstrukt als Mittel der Aufhebung des einen durch das andere betrachten, so dass gewissermaßen eine Art harmonisierende Neutralisierung statt fände, Nichts bliebe als das Wohlgefühl eines Abschließens: Closure. Hier scheint es jedoch so, als ob ein inkorporierbarer Rest existiert, der sich dadurch ausdrückt, in den Gedanken als Reibungspunkt bestehen zu bleiben. Eine mögliches Strategie zu dessen Auflösung bietet der Song nicht nur, sondern ist es gewissermaßen, gleichsam jedoch nur in der sofortigen Suspension dieser Auflösung insofern als diese in der Bewahrung des Unvermittelbaren und Unverständlichen besteht: Das Abschließen also offen gehalten wird.

Das prominenteste Wort „twice“, dass den semantischen Gehalt eines Doppelten oder Zweimaligen hat, enthält selbst noch einen Buchstaben, der diese Bedeutung trägt. Im englischen und ausgesprochen, wird sein weiterer Bedeutungshorizont am gravierensten sichtbar. Double u: Ein zweifaches Du wie auch ein zweifaches Ich, vor und nach der Zäsur, so ist es nicht verwunderlich, dass das Wort, welches diesen entscheidenden Buchstaben enthält direkt an das Komma grenzt.

Im Songtext nun folgen in dem Duktus des Titel Aufforderungen zu Handlungen, die gleich wieder abgetan bzw. negiert werden. Es machte sowieso keinen Sinn: It ain’t no use. Und dennoch: jede Zeile drückt die Hoffnung aus, der Freund würde doch noch etwas tun oder sagen, um die Beziehung zu kitten, um gleich darauf die Sinnlosigkeit zu betonen, der ein solches Unterfangen unterläge, da der Erzähler, der einerseits immer noch hofft, sich schon außerhalb jeglicher sinnlichen Reichweite des Angesprochenen befindet („Look out you window and I’ll be gone“). Hierin liegt vielleicht eine Strategie des Textes, wieder Oberhand über die Situation zu gewinnen bzw. das Verletzungspotential zu mindern, denn nun kann der Freund, selbst wenn er es versuchte, den Erzähler nicht mehr erreichen und auch hinsichtlich der Sottisen, die der Text enthält (z.B. „You’re the reason I’m trav’lin’ on“, „You just kinda wasted my precious time“), könnte er den Erzähler nicht mehr zur Rede stellen. Die Nicht-Mehr-Erreichbarkeit (des Anderen/zwischen beiden), die der Erzähler beklagt, wird derart transformiert, dass sie nun vom Erzähler selbst induziert ist, um dadurch eine bewusste Entscheidungsgewalt über das Schicksal der Freundschaft zu gewinnen. Dies kann freilich nur kurzzeitig gelingen, denn über deren Zerfall mag möglicherweise nicht mal eine bewusste Entscheidung des Anderen existieren, sondern vielmehr mögen unbewusste Prozesse, minimale Verletzungen, kleinste Missverständnisse, aus denen eine bewusste Vermeidung zukünftigen Kontaktes erst resultiert, gewissermaßen die Entscheidungsgewalt für sich beanspruchen.

Es scheint daher der Trennung nicht beizukommen zu sein, weder vom einen noch vom anderen. Sie scheint fast als etwas den beiden involvierten Personen Äußerliches zu sein. In Form eines Schweigens, dass sich zwischen beide schiebt und weiter verbreitert und erst wahrgenommen werden kann, wenn es schon fast undurchdringbar geworden ist. Im „Tür für den anderen für immer schließen“, das der Song andeutet, liegt dennoch gleichzeitig der Wunsch begraben, die Tür für den anderen wieder zu öffnen. Vielleicht sind es nur die Hin- und Fortbewegungen vom und zum Freund hin, die die Chance eröffnen, den anderen überhaupt zur Reflexion zu bewegen. Es ist ein Sprechen in Widersprüchen, aber es ist ein Sprechen überhaupt. Ein Sprechen zu sich selbst, ohne die Sicherheit, dass es noch jemals von anderen vernommen werden wird. Im Text wird somit das Auseinandergedriftet-sein beider dargestellt und gleichzeitig werden beide durch ihn zusammengehalten. (ein paar Passagen füge ich noch später hinzu)

Well, it ain’t no use to sit and wonder why, babe
Even you don’t know by now
And it ain’t no use to sit and wonder why, babe
It’ll never do somehow

When your rooster crows at the break of dawn
Look out your window, and I’ll be gone
You’re the reason I’m a-traveling on
But don’t think twice, it’s all right.

And it ain’t no use in turning on your light, babe
The light I never knowed
And it ain’t no use in turning on your light, babe
I’m on the dark side of the road

Still I wish there was somethin‘ you would do or say
To try and make me change my mind and stay
But we never did too much talking anyway
But don’t think twice, it’s all right.

So it ain’t no use in calling out my name, gal
Like you never done before
And it ain’t no use in calling out my name, gal
I can’t hear you any more

I’m a-thinking and a-wonderin‘ walking down the road
I once loved a woman, a child I am told
I gave her my heart but she wanted my soul
But don’t think twice, it’s all right.

So long honey, babe
Where I’m bound, I can’t tell
Goodbye’s too good a word, babe
So I’ll just say fare thee well

I ain’t a-saying you treated me unkind
You could have done better but I don’t mind
You just kinda wasted my precious time
But don’t think twice, it’s all right.

dylan-236x300     Well deserved. Congrats, Bob!

 

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